Am Mittwoch davor war ich noch in der Schatzinsel, ich hätte also, wenn ich gewollt hätte. Wenn ich ehrlich bin, gewollt habe ich schon, aber da ging’s mir mal so was von ums Prinzip. Ja, ich weiß, Spontaneität will sorgfältig geplant sein. (Mal ganz unter uns. Offensichtlich habe ich dieses Wort schon lange nicht mehr geschrieben. Weil, du hättest mich totschlagen können, ich wäre im Leben nicht draufgekommen, warum der Computer mir das als falsch unterstreicht.) Egal, was ich eigentlich sagen will, ich hätte am Mittwoch Karten kaufen können. Hab ich nicht. Auch am Donnerstag hätte ich, und am Freitag auch. Was ich aber zumindest hätte machen können, ich hätte fragen können, ob es überhaupt noch Karten gibt, für den Samstag, den 15. September bei Sia Korthaus.
Aber das wollte ich jetzt schon mal wissen, ob ich als Auerbergerin mich am Samstagnachmittag noch spontan entscheiden kann, in meinen Kulturraum Auerberg zu schluffen. Gut, jetzt nicht in Jogginghose. Ich hab mich natürlich am Samstagabend aufgehübscht. Weil, das sehe ich ja nach wie vor genau wie Karl Lagerfeld: Wer in Jogginghose aus dem Haus geht, hat sein Leben nicht im Griff.
Am Samstagmorgen bin ich dann eingeknickt. Schweißgebadet war ich aus einem Albtraum aufgeschreckt: Menschen beugen sich über mich, Fratzen und Grimassen zeigen mit dem Finger auf mich, lachen mich aus. Ja, in diesem Albtraum stand ich Samstagabend um Punkt 19:00 Uhr im Gebrauchtwarenkaufhaus an der Kasse und wollte zwei Karten für Sia Korthaus kaufen. Mein Göttergatte hat daraufhin um Punkt 10:00 Uhr zwei Karten erstanden.
Was soll ich sagen, ich hab so was von Glück gehabt. Der Zuschauerraum platzte aus allen Nähten und wenn ich gewusst hätte, wie toll die Sia ist, im Leben hätte ich nicht die Ruhe weggehabt und das so lange durchgezogen. Wenn sie die Situation mit dem Vater und seinem Kleinstkind vor dem Leergutautomaten beschreibt, wie der den ganzen Verkehr aufhält, oder sie sich über Spätgebärende auslässt, sag ich von meiner Seite aber so was von Daumen hoch. Und das Ehepaar, das mit einem alten Grammophon und einer Preisvorstellung von 1000 Euro zu Horst Lichter kommt und sich mit gerade mal 50 Euro begnügen muss – was für ein Unterhaltungswert, genau so ist es! Aber sie kann auch politisch, wenn sie mit toller Stimme den Herren Trump und Erdogan einen “Freiflug zum Mond” spendiert.
Was ich gar nicht wusste, dass die Frau Korthaus Verstärkung auf der Bühne hat. Da ist zunächst einmal ihre Showpraktikantin Britta aus Sachsen, die so was von lustige Witze sächselt: “Was ist braun und hat eine schlechte Schrift? Ein Kritzlibär.” So süß sächselt die: “Deine Zähne sind wie Duisburg und Gelsenkirchen. Da ist noch Essen dazwischen.”
Ja, und dann ist da noch die Oma von der Frau Korthaus, in Kittelschürze und mit Stock. Und wenn man nun glaubt, also weil die jetzt so alt ist. Hallo, Sex ist deren Kernkompetenz. Deshalb weiß sie, dass Sex wie Doppelkopf ist: Entweder du hast einen guten Partner oder eine gute Hand. Und, sie rät: Begeh keine Dummheit zweimal, das Angebot ist groß genug. Und wenn am Ende die Frau Korthaus singt “Ich geb’ mich gern dem Laster hin”, da bin ich so was von froh, dass die lange Sommerpause in meinem Kulturraum ein Ende hat – und ich mir in der Pause wieder mein Gläschen Rotwein gönnen kann.
Hatte ich übrigens erwähnt, dass die Britta eine Handpuppe und die Oma die Sia selbst ist?
Apropos Oma, mir ist aufgefallen, dass ich meinen letzten Beitrag auch mit Sex beendet habe. Scheint ein bekanntes Phänomen zu sein.