Hallo, da bin ich mal ein paar Wöchelchen mit dem Fahrrädchen in der Lüneburger Heide unterwegs – und schon: Das Mischpult steht jetzt nicht mehr vorne neben der Bühne, sondern hinter mir – und es gab keine Erdnüsschen auf den Tischen. Das war schon immer recht komfortabel, wenn ich während der Pause zu meinem Gläschen Rotwein das ein oder andere Erdnüsschen schnabulieren konnte. Aber, nun gut, frau kommt ja nicht wegen des schnöden Hungers auf Kohlehydrate, sondern wegen des Hungers auf Kultur. Wie heißt es so schön, wegen des geistigen Inputs.
Apropos geistiger Input. Tolles Kleid, schönes Kleid, schöne Frau, diese Maria Vollmer. Ich habe den ganzen Abend darüber nachgedacht, wie ich an das Kleid komme. Das führte dann auch zu ein wenig Missstimmung zwischen meinem Traummann und mir. Klar, irgendwie kann ich es auch verstehen, wenn dir alle paar Sekunden von der Seite “Schatz, wie findest du das Kleid?” oder “Kannst du das nicht fotografieren ?” ins Ohr gezischt wird. Er habe das Handy nicht dabei und wolle jetzt in Ruhe dem Programm folgen. Er bekäme nichts mit, wenn ich ihn andauernd stören würde. Ich glaube, ich hab’s dann wirklich übertrieben, als ich ihm Zettel und Stift in die Hand rammte und “oder zeichnen” ins Ohr raunte. Deshalb ist mir das wohl überhaupt erst aufgefallen, das mit den Erdnüsschen. Wenn du so die ganze Pause lang kein Wort miteinander redest.
Von wegen nichts mitbekommen. Typisch Mann. Ich hab natürlich trotzdem alles mitbekommen. Zum Beispiel, dass Frau Vollmer nach der Pause ein anderes Outfit trug. Was ich vor allem aber mitbekommen habe, auf welch allerliebst witzige Weise sie uns Frauen, die wir uns irgendwie um die Wechseljahre herum drapieren, derart Tieftrauriges auf den Weg gibt. Kleidung sei nunmehr Sichtschutz für die Männer. Wenn denn eine Frau unbedingt beige tragen wolle, die Farbe des Vergammelns, sollte sie sich immer etwas bewegen, damit man sehe, dass sie noch lebt. Und, ja, ab einem gewissen Alter der Frau wollen die Männer nichts mehr an ihr ausziehen, sie sind schon ausgezogen. Maria Vollmer schreckt Derartiges nicht, hat sie doch ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Kein Wunder, als Pfarrerstochter. Sagt sie doch, die einzigen prominenten deutschen Pfarrerstöchter seien Angela Merkel und Gudrun Enslin. So gesehen sei es doch bei ihr recht gut gelaufen.
Und ihre Lieder haben mir so was von gefallen. Wenn aus Udo Jürgens “Ich war noch niemals in New York” “Ich war noch niemals im Irak” wird, dann gelingt ihr das auch bravourös, das Ernste. Und wer glaubt, die Maria könne nur mit Worten, tollen Texten und Gereimtem, der irrt. Nein, sie blockflötet und trommelt auf Töpfen und hält sich damit die Holländer vom Leib.
Wenn ich ehrlich bin, in der zweiten Hälfte war ich nicht ganz bei der Sache: Es wäre doch ein Leichtes gewesen, sich mal eben in die Garderobe der Frau Vollmer zu stehlen …