Hatte ich dich schon auf einen sehr wichtigen Vorteil meines Kulturraums Auerberg aufmerksam gemacht? Ich weiß, du denkst jetzt. Was kommt jetzt schon wieder? Immer diese Lobeshymnen auf ihren Kulturraum Auerberg. Man kann es nicht mehr hören. Wissen wir ja jetzt alles. Immer dasselbe. Aber, horch, das ist wirklich eine tolle Sache. Du kennst doch sicher folgende Situation: Du in der Bonner Oper. Sobald der erste Gong ertönt, machst du dich auf in Richtung deines Sitzes. Hast als Frau viel zu lange in der Pipi-Schlange gestanden, trinkst dann ein wenig schneller, als dir lieb ist, deinen Prosecco aus. Den Prosecco, für den du endlos angestanden und viel zu viel bezahlt hast. Und gerade geht schon der Vorhang hoch, als sich die ganze Reihe noch einmal erheben muss, um die Dumpfbacke durchzulassen, die in allerletzter Minute kommt. Manchmal werde ich den Eindruck nicht los, dass der das extra macht. Dass der sogar extra nach der Pause so lange wartet, bis sich alle Besucher auf ihre Plätze begeben haben. Und dann geht der Klappspaten extra am falschen Ende meiner Sitzreihe rein, damit alle wegen ihm aufstehen müssen, um ihn durchzulassen. Und das ist das Tolle in meinem Kulturraum Auerberg. Das kommt da nie vor, weil die Reihen nur ganz kurz sind und ich im Zweifelsfall nur meinen Stuhl ein wenig nach hinten schieben muss – ohne mich zu erheben!
Vor wem ich mich gerne erhebe und applaudiere ist der Erwin, der Erwin Grosche. Der war zum fünften Mal in meinem Kulturraum Auerberg. Allein sein fescher Anzug und die Wahl seiner Instrumente – mehr braucht es nicht für mich. Letztens hat er im Supermarkt eine Banane auf die Obstwaage gelegt, aber extra auf Apfelsine gedrückt. Nun weiß er, was eine Banane kosten würde, wäre sie eine Apfelsine. Man muss halt einfach auch mal was wagen.
Und dann kommt die beruhigende Erkenntnis: Jeder kann doch irgendwas!
Der eine kann „Placebo“ sagen, wenn es gebraucht wird. Ein anderer kann gut Brot schneiden. Sein Nachbar weiß immer, wann die Müllabfuhr kommt und die ganze Straße richtet sich nach ihm. Letztens hat er seinen Fernseher rausgestellt und alle Nachbarn dann auch ihre, nicht wissend, dass seiner nur kaputt war. Der Erwin kann gut Autoeinweiser spielen und mit wilden Gesten den gesamten Verkehr verwirren.
So kann halt jeder irgendwas.
Und dann ist da oft ein Liedchen auf seinen Lippen, während er sich mit einem blauen Kinderakkordeon oder Kinderpiano begleitet. Mal handelt es davon, dass ihm etwas dazwischen kam, mal singt er die Ode an den Mohnkuchen, der ihn zu seltsamen Gedanken treibt. Und als wäre das nicht schon genug, er spielt das Akkordeon mit seinem Doppelkinn! Deshalb hat er eins. Und dann Erwin mit einer Perücke, gefertigt aus dem Brusthaar von Brad Pitt dem Älteren! Mehr geht eigentlich nicht. Es sei denn, ein Wunder: der wundersam auferstehende Gartenrasenabfallsack. Und zum Schluss, jetzt auf einem roten Akkordeon, das Lied „Wie kann man dem Glück noch viel näher sein?“ und wir singen alle gerührt den Refrain „La, la, la“.